Geburtstag: 20. Oktober 1962
Geburtsort: Freiburg
Größe: 180 cm
Gewicht: 75 +/- 3 kg
Wohnort: Vörstetten
Erster Marathon: Schwarzwaldmarathon 1980
Erste Langdistanz: Ironman Regensburg 2012
Internetseite: www.michael-nehls.de
Michael Nehls hat 2008 und 2010 das Race Across America (RAAM) gefinisht und dabei bewiesen, dass es auch ohne Schlafentzug, dauernde Schmerzmittel und eine abenteuerliche Mischung aus Glück und Leiden machbar ist. Seine Erlebnisse sind in dem Buch „Herausforderung Race Across America“ nachzulesen und auf der DVD „Du musst nicht siegen, um zu gewinnen“ in eindrucksvollen Bildern festgehalten. Hier erzählt der sympathische 48-Jährige, was ihn bei seinen Leistungen bewegt.
Das sportliche „Ende“ mit 22
Hallo Herr Nehls, 1980 war Ihr erster Marathon, den Sie trotz schnellster Zeit eines Junioren nicht offiziell gewonnen haben. Wie kam das?
Tja, beim Schwarzwaldmarathon hätte ich als 17-Jähriger eigentlich eine halbe Stunde nach dem Hauptfeld starten müssen, aber ich wollte das Rennen unbedingt gemeinsam mit einem Freund laufen, und
so musste ich mich bei der Anmeldung ein Jahr älter machen. Mit meiner Zeit von 3:05 Stunden hätte ich zwar die Junioren-Wertung gewonnen, aber ich war nun mal bei den Männern gestartet – und bei
insgesamt 6 Wochen Vorbereitung hätte ich damit vorher kaum rechnen können.
1984 haben Sie in Freiburg auch Ihre Altersklasse gewonnen, danach aber recht abrupt mit dem Sport aufgehört. Wieso?
Der Freiburger Marathon war direkt nach dem Physikum meines Medizinstudium. Vor mir lag ein Stipendium in den USA, und so bin ich mit meiner Frau und unserem ersten Kind dorthin gezogen. In der
Forschung gilt der Satz „publish or perish“ (publiziere oder gehe unter), so dass ich in den zwei Jahren 7 Tagen die Woche gearbeitet und insgesamt nur eine Woche Urlaub gemacht habe. Außerdem
wurde unsere zweite Tochter geboren. Mir blieb also immer weniger freie Zeit für Sport.
Auch nach unserer Rückkehr nach Deutschland hat sich das kaum geändert, und so hatte ich bald etliche Kilo zugenommen. Im Nachhinein ist mir klar, dass diese Fokussierung auf meine Karriere zwar
richtig war, jedoch auf den Sport zu verzichten ein großer Fehler.
Fett mit vierzig
Wie und wann kam dann das Umdenken?
Neben dem offensichtlichen Übergewicht zeigten ärztliche Untersuchungen 2002 noch einige Begleiterscheinungen wie Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen, gegen die ich unbedingt etwas
unternehmen wollte. Ich weiß noch, dass ich an einem Donnerstag beschlossen habe, mir ein Fahrrad zu kaufen. Zwei Tage später, am Samstag, wollten meine Frau und ich dann eine Radtour nach
Andechs machen. Auf den gerade mal 25 Kilometern musste ich zweimal vom Rad steigen – weil ich einen Hungerast hatte!
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Aber das hat Sie offenbar nicht abgeschreckt, sondern angespornt?
In der Tat war ich schon entsetzt, wie unfit ich in den letzten 18 Jahren geworden war. Aber es stimmt, ich bin drangeblieben und regelmäßig weitergeradelt. Das hat sich auch schnell auf mein
Wohlbefinden ausgewirkt – und in der Arbeit. Bei aerober sportlicher Tätigkeit wird das Gehirn stärker durchblutet als sonst, und wenn man nicht gerade verkrampft nach Bestleistungen strebt,
fördert dies die sogenannte freie Assoziation. Ich hatte also nach einer langen, lockeren Radeinheit oft Lösungen für Probleme gefunden, die mir im Büro nie eingefallen wären! Die Zeit auf dem
Rad war also kreativer und viel effizienter, und ich kann jedem nur empfehlen, es ähnlich zu machen. Mit Sport gewinnen gerade gestresste Manager doppelt: Sie leben nicht nur gesünder und damit
auch potenziell länger, sondern auch produktiver als wenn sie sich zwanghaft auf den Job konzentrieren.
Es ist ja eigentlich allseits bekannt, dass Sport gesund ist...
Ja, und es gibt außerdem eine Studie, die belegt, dass schnellere Hobby-Marathonläufer ein höheres Einkommen haben als langsamere. Wer also effizient und engagiert Sport treibt, ist offenbar auch
im Beruf zielgerichteter und erfolgreicher. Oder umgekehrt, erfolgreich zu sein schließt nicht aus, auch gesunden Sport zu treiben.
Neue Horizonte: Nur das Meer setzt die Grenzen
Sie haben es dann aber nicht gerade bei ein paar lockeren Radeinheiten bewenden lassen, sondern das RAAM angepeilt – gut 4.800 Kilometer auf dem Rad von der Westküste der USA an die
Ostküste, die in maximal 12 Tagen zurückgelegt werden müssen. Was hat Sie an dieser „Tortur“ gereizt?
Zunächst einmal hat mich als Mediziner die sportliche Herausforderung an Körper und Geist interessiert. Bei diversen Radmarathons hatte ich schon gute Erfahrungen gesammelt und wollte wissen,
wozu ich alles in der Lage wäre. Allerdings galt damals die Devise, beim RAAM müssten die Sportler quasi ohne Unterbrechung und mit kürzesten Schlafpausen durchfahren, um das Ziel erreichen zu
können. Ich hingegen wollte zeigen, dass es auch mit 8–9 Stunden täglich Schlaf (der Menge, die sich die anderen Fahrer insgesamt auf der ganzen Strecke gönnen) und damit Spaß statt Schmerzen zu
schaffen ist – dass es also keine Tortur sein müsste. Natürlich bin ich anfangs von allen belächelt worden, aber wir sind das Ganze sehr akribisch angegangen und haben alle Faktoren optimiert, so
dass ich von Anfang an zuversichtlich war.
In weniger als 11 Tagen haben Sie das RAAM 2008 äußerst erfolgreich gefinisht. Warum sind Sie es zwei Jahre später noch einmal gefahren? Sie wussten doch jetzt, dass Ihre Strategie
funktionierte?
2010 waren meine Motive tatsächlich ganz anders als 2008. Damals war es eine Pioniertat, statt auf Schmerzmittel auf Schlaf und Regeneration zu setzen, und entsprechend war es während des Rennens
extrem spannend und ein Riesenerfolg zu sehen, dass es klappte! 2010 wusste ich dann, dass ich es schaffen konnte, dass meine Strategie prinzipiell richtig war, wollte aber dennoch zeigen, dass
dies keine Eintagsfliege war, sondern wiederholbar, auch wenn ich bei weitem nicht mehr so getrieben war wie beim ersten Mal.
Außerdem waren meine Kinder nach den Vorträgen so stolz auf mich gewesen, dass ich dieses Erlebnis mit ihnen gemeinsam noch einmal erleben wollte, wobei ich hoffte, dass die Erfahrungen auch ihr
Leben positiv verändern würden. Darüber wollten wir unter anderem einen tollen Film drehen.
Und natürlich gab es auch Überlegungen, etwas schneller zu sein und vielleicht unter die ersten drei zu kommen oder sogar zu siegen.
Das hat ja leider nicht ganz geklappt. Woran lag das? Gab es Probleme?
Während eines so langen Rennens treten wahrscheinlich immer irgendwelche Probleme auf. In meinem Fall war die Angst vor einer Zeitstrafe Auslöser für eine Beinahe-Katastrophe. 2008 hatte ich mir
eine Zeitstrafe eingehandelt, weil ich nachts einmal aus dem Lichtkegel meines Begleitfahrzeugs ausgeschert war. Es gibt allerdings auch Zeitstrafen, wenn sich hinter dem Begleitfahrzeug eine zu
lange Autokolonne bildet, weil das Fahrzeug nicht überholt werden kann. Nun fuhr ich also gleich bei der ersten Etappe Tag und Nacht durch (eine harte Wüstenetappe mit 8.000–9.000 Höhenmetern),
und am langen Anstieg zwischen Sedona und Flagstaff (nach etwa 850 Kilometern nonstop) bildete sich nachts eine Kolonne hinter unserem Wagen. Meine Begleiter gaben mir also ein Zeichen, seitlich
ranzufahren und die anderen überholen zu lassen. Aber wegen meiner Müdigkeit habe ich das Signal nicht sofort verstanden – durfte aber eben nicht einfach weiterfahren wie tagsüber, weil ja das
Verlassen des Lichtkegels verboten war. Ausgerechnet da kam mir ein Kontrollfahrzeug des RAAM entgegen, und ich wurde hektisch, weil ich schon außerhalb des Lichtkegels war, wollte sofort rechts
ranfahren, kippte dabei mit dem Rad um, fiel eine Böschung hinab, kam nicht aus den Klickpedalen, verdrehte mir das Knie und riss zu allem Überfluss noch eine Pedalplatte ab. Ich hätte also fast
aus Panik vor einer Zeitstrafe das ganze Rennen ruiniert.
Dummerweise war zu dieser Zeit das zweite Fahrzeug mit den Ersatzteilen nicht in der Nähe, denn der nagelneue Mietwagen hatte ausgerechnet in der Wüste schlappgemacht und ließ sich nur noch dank
des Einfallsreichtums meines Sohnes starten: mit Haarspray!
Die Knieprobleme haben mich dann also für den Rest des Rennens begleitet und am dritten Tag nach viel Gegenwind dazu geführt, dass ich eine Extrapause eingelegt und meine ambitionierten Zeitziele
begraben habe, um weiterhin ohne Tabletten auszukommen.
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Wird es ein drittes RAAM für Sie geben?
So schnell nicht, denn ich sehe darin keine neue Herausforderung mehr. Allenfalls, wenn ich es als ältester Teilnehmer finishen könnte. Aber das dauert ja noch ein Weilchen...
Gibt es für Sie denn noch sportliche Herausforderungen?
Oh ja! In diesem Frühjahr war ich zum Beispiel mit meiner Frau auf dem Kilimandscharo. Und für 2012 steht mein erster Triathlon auf dem Plan. Ich möchte nämlich versuchen, zu meinem 50.
Geburtstag und unserer Silberhochzeit eine Hawaii-Reise mit einem Start beim Ironman zu verbinden. Deshalb habe ich mich in Regensburg angemeldet und bin jetzt eifrig am trainieren.
Dabei zeigt sich, dass Radfahren und Laufen doch extrem unterschiedliche Muskelgruppen beanspruchen – und auch das Schwimmen ist eine ganz eigene Welt. Zurzeit schaffe ich etwa 200 Meter Kraulen
am Stück; im Winter werde ich das dann in einem Schwimmverein gezielt verbessern.
Dann bedanke ich mich herzlich für das Gespräch, wünsche Ihnen weiterhin viel Spaß bei Ihren sportlichen Zielen und bin auf eine Fortsetzung der Geschichte gespannt!
(September 2011)